Fleischkultur Teil II – gestern, heute, morgen

Im zweiten Teil unserer Serie „Ein geschichtlicher Überblick über das Lebensmittels Fleisch in Europa“ begeben wir uns in die Frühe Neuzeit, ins Zeitalter der Industrialisierung und ins 20. Jahrhundert. Welches Verhältnis hatten die Menschen damals zum Genuss von Fleisch- und Wurstwaren? Welchen Stellenwert hatten Braten und Co?

Arm vs. reich

Drei Ereignisse läuteten das Ende des Mittelalters ein: die Erfindung des Buchdrucks, die Entdeckung Amerikas und die Reformation, z. B. gelangten „im Zuge des columbian exchange […] aus der ‚Neuen Welt‘ Mais und Kartoffeln nach Europa und damit hocheffiziente Futtermittel für eine ertragreiche Vierhaltung.“ Es gab ausreichend Futtermittel fürs Vieh, wodurch die Nutztierhaltung begünstigt wurde. Auch die Versorgung mit Getreide war gesichert. Aufgrund einer klimatischen Verschlechterung und des Dreißigjährigen Krieges änderte sich jedoch. Fleisch konnte sich nur die wohlhabende Bevölkerung leisten. Während dieser Zeit zeigte sich an den Ernährungsgewohnheiten sehr deutlich, wie weit die Schere zwischen arm und reich auseinanderklaffte. Fleisch galt als Wohlstandsindikator. Es wurde zu einem oft schwer erreichbaren Konsumgut, dessen Verfügbarkeit auch Auswirkungen auf die körperliche Verfasstheit hatte.

Der Beginn der Fleischindustrie

Mit dem Beginn des 19. Jahrhundert er der Industrialisierung besserte sich die Lage. Der Frieden in Mitteleuropa und die Errungenschaften des technologischen Fortschritts hatten einen steigenden Fleischkonsum zur Folge. In den Wirtschaftszentren wie Berlin wurden hochtechnisierte Schlachtstätten errichtet, die auch mit ihrer prachtvollen Architektur überzeugten. Sie galten „als Symbole von Fortschritt und gutem Leben an Knotenpunkten zwischen Peripherie und Innenstadt.“

Fleisch lockte die dörfliche Bevölkerung in die Städte. Getrieben vom Konsumverlangen heuerten sie in den neu entstehenden Fabriken an. Der Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch stieg daraufhin weiter. Einer der Gründe: Man war davon überzeugt, dass nur Fleisch den erhöhten Energiebedarf der Arbeiter ausgleichen konnte [https://www.tagesspiegel.de/wissen/schlachthauser-fur-die-leistungsfahigkeit-der-arbeiterschaft-6861985.html]. Obwohl Fleisch – besonders das von Schweinen – verhältnismäßig günstig war, konnten sich Alte, Familien mit Kindern und ärmere Menschen nur einmal in der Woche Fleisch leisten. Nach wie vor hing der Fleischgenuss vom Einkommen ab.

Kriegsjahre

 Der erste Weltkrieg und die Jahre danach brachten Hunger und eine stark steigende Inflation. Fleisch war für die meisten Menschen nicht mehr erschwinglich, Schweinefleisch wurde zum Schwarzmarkt-Produkt. Unterernährung war an der Tagesordnung. Während der Diktatur unter den Nationalsozialisten wurde die Fleischversorgung instrumentalisiert, um u. a. die Gunst der Bevölkerung zu gewinnen. Auf der anderen Seite wurden „Hunger und Fleischentzug […] zu systematisch eingesetzten Unterwerfungs- und Demütigungsinstrumenten, gerade auch in den Konzentrationslagern und gegenüber den sowjetischen Kriegsgefangenen.“

Im dritten und letzten Teil der Serie beschäftigen wir uns mit dem Fleischkonsum in den 1950er Jahren, unserem Verhältnis zu Fleisch heute, und wir gehen der Frage nach, wie sich unserem Umgang mit dem Lebensmittel Fleisch entwickeln wird.

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