Kulturgut: Currywurst

Vor zwei Jahren verschwand die Currywurst vom Speiseplan einer der Kantinen von Volkswagen in Wolfsburg. Das Betriebsrestaurant des Autokonzerns kündigte seinen Angestellten an, künftig auf ein fleischfreies Angebot umzusteigen. Neben vegetarischen und veganen Gerichten sollte nur noch Fisch das Angebot gelegentlich ergänzen. Nach lauten Gegenstimmen ist der beliebte Klassiker Currywurst jetzt zurück. Zur großen Freude der Mitarbeitenden von VW.

Der Genuss von Fleisch ist tief in unserer Kultur verankert. Warum das so ist und was hinter der Ablehnung von ausschließlich fleischfreien Angeboten steckt, erfährst du in diesem Beitrag.

Die Erfindung der Volkswagen-Currywurst

Bereits seit den 1950er Jahren stellten bei Volkswagen beschäftigte Fleischer verschiedene Wurstsorten für die Arbeiter und Arbeiterinnen her. 1973 liefen die ersten Volkswagen-Currywürste vom Band. Zu der Zeit hatte Volkswagen sogar noch eine eigene Schweinemast für die Wurstproduktion.

Verkauft wurde Wurst vorrangig in den Werkskantinen. Über die Jahre fand die VW-Currywurst aber ihren Weg aus den Kantinen heraus. Im Fußballstation des VfL Wolfsburg wird eine verkürzte Variante der Wurst angeboten und online wird die Wurst national sowie international in elf Länder verkauft. 

Im Jahr 2014 verkaufte Volkswagen tatsächlich mehr Würste als Autos.

Fleisch oder kein Fleisch – Du hast die Wahl

Laut dem Infoschreiben von VW wünschten sich mehr Mitarbeitende vegetarische und vegane Gerichte. Das Unternehmen wollte auf die Wünsche der Arbeitenden eingehen und sich gleichzeitig nachhaltiger präsentieren. Doch Fleisch komplett aus der Kantine zu verbannen, empfanden die Mitarbeitenden weder als zeitgemäß noch als gerecht.

„Die meisten Menschen begreifen Fleisch als Teil einer ausgewogenen und gesunden Ernährung. In öffentlichen oder geschäftlichen Einrichtungen sollte also nicht vorgeschrieben werden, wie man sich zu ernähren hat“, so Geschäftsführer der Fleischerinnung Hamburg Dr. Joachim Drescher. „Jeder Mensch kann frei die Entscheidung für sich selbst treffen, ob er oder sie gerne Fleisch essen möchte. Das sollte nicht durch den Arbeitgeber vorgeschrieben werden“.

„Kraftriegel der Facharbeiter“

Das Entfernen der Currywurst aus der Kantine von VW schlug 2021 große Wellen. Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnete die Currywurst als „Kraftriegel der Facharbeiter“, um die Bedeutung und den Stellenwert des Traditionsgerichts zu verdeutlichen. Auf der sozialen Plattform LinkedIn machte der ehemalige Aufsichtsrat von VW seinen Standpunkt zu der Currywurst-Debatte deutlich: „Currywurst mit Pommes ist einer der Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters in der Produktion. Das soll so bleiben.“

Die Beschwerden der Mitarbeitenden von VW führten letztendlich zur Wiedereinführung der Currywurst in der Kantine. Inzwischen steht die VW-Currywurst zwar nicht täglich auf dem Speiseplan, wird aber regelmäßig angeboten. Auch Fleischgerichte sollen ab jetzt ergänzend angeboten werden.

Currywurst als Kulturgut?

800 Millionen Currywürste essen die Deutschen jedes Jahr. Es liegt also nahe, dass die Currywurst quasi deutsches Kulturgut ist, zu dem viele eine emotionale Bindung aufgebaut haben. Herbert Grönemeyer offenbarte seine Liebe zur Currywurst bereits in einem Lied: „Kommste vonne Schicht, wat schönret gibt et nich, als wie Currywurst“. Und Ernährungspsychologe Christoph Klotter sagte gegenüber der BILD: „Die Currywurst ist mehr als ein Gericht, sie ist ein Symbol. Wie Omas Käsekuchen schafft sie persönliche Identität.“

Vielen Menschen geht es ähnlich, so auch den Mitarbeitenden von VW. Die Currywurst löst bei vielen ein gutes und sicheres Gefühl aus. Einen solchen Klassiker aus dem Angebot zu nehmen, hatte dementsprechend emotionale Reaktionen zur Folge, hinter denen eine Menge an Kultur steckt.

Gut zu wissen: Mit der Umstellung der Kantine war die VW-Currywurst gefragter denn je. Die Sehnsucht nach der Wurst war für viele Mitarbeitende groß. Während der Pandemie führte VW sogar einen Lieferdienst ein, um Mitarbeitenden im Homeoffice den Genuss der Wurst zu ermöglichen. Auch online stand die Wurst weiterhin zum Verkauf. So wurde die Currywurst, trotz der Verbannung aus der Kantine, weiterhin verkauft. Resultat nach der Pandemie: Es wurden mehr VW-Currywürste verkauft als vor der Pandemie.

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