Der ausgebildete Weinkenner und -experte begegnet uns für gewöhnlich als Weinsommelier. In der Käse-Welt ist manch einem auch der Käse-Sommelier geläufig. Doch was viele nicht wissen: Im Fleischerhandwerk gibt es auch Sommeliers. In Deutschland haben insgesamt 40 Menschen ihr Wissen rund ums Fleisch mit einer Fortbildung zum Fleischsommelier ausgebaut. Während des Kurses lernen Teilnehmende spannende und einzigartige Seiten des Fleischerhandwerks kennen.
Nachgefragt
Seit vergangenem Jahr darf Fleischer Philip Müller von der Fleischerei Lohff aus Travemünde den Titel Fleischsommelier tragen. Wir haben bei ihm nachgefragt.
Was macht ein Fleischsommelier?
Ein Fleischsommelier ist ein ausgewiesener Experte in Sachen Fleischgenuss und Sensorik. Er weiß sehr genau, was für eine gute Fleischqualität ausschlaggebend ist, z. B. die Haltung, Schlachtung und Fleischreifung. Dieses Wissen teilt er in erster Linie mit Kundinnen und Kunden.
Worin liegt der Unterschied zum Fleischermeister?
In Meisterkursen liegt der Schwerpunkt neben einem großen fachpraktischen Teil auch auf der Vermittlung von betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. Viele Meisterschüler streben nach dem Abschluss eine leitende Funktion an, möchten selbst ausbilden oder einen eigenen Laden eröffnen. Für Fleischsommeliers steht der Genuss und die Kundenberatung im Vordergrund.
Wie sind Sie auf den Sommelier-Kursus aufmerksam geworden?
Mein Chef hat mich auf den Kurs aufmerksam gemacht und gefragt, ob ich daran Interesse hätte. Klar habe ich diese Möglichkeit gern genutzt!
Seit Kurzem haben wir im Laden eine Dry-Aged-Kammer. Fleischreifung im Allgemeinen ist ein Thema, das im Kurs viel besprochen wurde. Denn diese hat einen enormen Einfluss auf den Geschmack.
Was für weitere Aspekte sind Bestandteil des Kurses?
Im Kurs wird alles besprochen, was sich auf die Fleischqualität auswirken kann. Angefangen bei Haltungsformen, Rassen und Fütterung. Besonders gefallen haben mir die Besuche bei verschiedenen landwirtschaftlichen Unternehmen rund um Frankfurt. Hier konnten wir aus erster Hand erfahren, worauf es schon bei der Tierhaltung ankommt. Zum Beispiel ist es auch wichtig, wann und wo ein Tier gefüttert wird.
Seit einigen Jahren werden internationale Cuts bei uns immer beliebter. Daher liegt ein weiterer Schwerpunkt des Kurses auf diesen besonderen Zuschnitten. Um unsere Kundinnen und Kunden nach dem Kurs umfänglich beraten zu können, stand auch die Zubereitung verschiedener Gerichte mit auf dem Stundenplan. Natürlich haben wir auch probiert, welches Fleisch mit welchen Gewürzen am besten zur Geltung kommt.
Wie setzen Sie Ihr Sommelier-Wissen im Betrieb ein?
Einige ältere Kundinnen und Kunden können mit dem Begriff „Dry Aged“ nicht sehr viel anfangen. Hier kann ich dann über dieses spezielle Reifeverfahren fundiert informieren. Außerdem bieten wir Steak-Seminare an, in denen wir Interessierten zeigen, was ein echt gutes Steak ausmacht. Bei diesen Gelegenheiten kann ich mein Wissen einsetzen.
Was fällt Ihnen zum Stichwort ‚Fleisch ist Kultur‘ ein?
Fleisch war schon immer ein wichtiges Lebensmittel. In letzter Zeit wird es in der Öffentlichkeit leider runtergemacht. Dabei ist es nicht verwerflich, Fleisch zu essen. Mir persönlich ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzten, was man wann isst. Viele, die sich für eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise entschieden haben, tun genau das. Ich habe erst dann ein Problem, wenn die eine Seite versucht, die andere zu bekehren.
Fleisch zu essen, gehört einfach dazu, und es muss ja auch nicht jeden Tag auf den Tisch kommen. Besonders seit Corona merken das auch immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie wollen wissen, wo die Tiere, die wir verarbeiten herkommen, und wie sie aufgewachsen sind.